Donnerstag, 3. März 2016

Häkelst du mir mal eben schnell was?

 Oder - Warum auch Handarbeit einen Preis hat!

 

Da in letzter Zeit immer wieder Leute fragen, ob ich meine Häkeltierchen verkaufe oder was es kosten würde, WENN man sowas kaufen wollte, fühlte ich mich bemüßigt, doch mal einen ganzen Artikel dazu zu verfassen. Ich hatte ja schonmal angesprochen, dass viele total erstaunt sind wie viel Zeit und auch Geld in einem Tuch, einem Amigurumi oder einer Mütze steckt. Da kommt dann auch schonmal die Aussage "Was?!? So viel willst du dafür haben? Das krieg ich ja im Laden viel günstiger."
Selbstgemacht ist also weniger wert, als in irgendeiner Fabrik unter ominösen Bedingungen, aus irgendeinem beliebigen Material hergestellte Ware? Na dann... Da kann ich aber auch nicht mehr helfen.

Wie ihr schon wisst, verfolge ich auch in diversen Foren, Gruppen und sozialen Netzwerken die Diskussionen und auch dort sind solche Situationen nicht unbekannt. Viele fragen sich, ob sie eine Aufwandsentschädigung nehmen sollen, wenn sie etwas im Auftrag für Freunde oder Bekannte machen. Wenn man sich mal umhört, dann fallen immer wieder die gleichen Sätze...
  • „Stundenlohn darf man sich da gar nicht ausrechnen, das wäre unrealistisch“                            
  • „Man macht das ja nicht um reich zu werden“                                                                               
  • „Das ist doch nur ein Hobby“                                                              
  • „Kann ich doch mal eben schnell machen“                                                
  • „Kalkulieren muss man da nicht, dass rentiert sich sowieso nicht“                
  • „Man macht das doch weil es Spaß macht und aus Liebe, nicht weil man geldgeil ist“ 

Jetzt überlegt euch doch mal, wie oft haben sich eure Bekannten und Freunde hingesetzt und für euch ein paar Stunden Zeit investiert ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Klar gibt es solche Leute, aber die sind wohl eher in der Minderheit. Diesen Menschen schenke ich auch gerne mal was. Jenen, bei denen ich weiß, dass sie für mich da sind, wenn ich sie brauche und dass sie auch ohne mit der Wimper zu zucken Zeit und ggf. auch Geld für mich investieren würden, schenke ich gerne was. Da opfere ich gerne Zeit. Entweder weil es mir Spaß macht, oder weil diese Menschen einfach ganz lieb danach fragen.

Für alle anderen gilt aber, wenn ihr eine Leistung von mir wollt, wo zudem auch noch viel Liebe und Herzblut mit einfließt, dann kostet das Geld. Das ist echt nicht böse gemeint, aber wieso zum Teufel sollte ich Leuten etwas schenken, denen meine Arbeit nichtmal den Mindestlohn wert ist? Das sehe ich irgendwie nicht wirklich ein. Mir geht es ja wirklich nicht ums Geld, sondern um eine gewisse Wertschätzung meiner Arbeit. Wer nicht bereit ist, mir diese entgegenzubringen, der darf sich entweder sein Zeug selber machen oder in ein Geschäft gehen.

Ein Selbstversuch

 


Um nochmal zu verdeutlichen, wie viel Arbeit und Aufwand in einem Projekt steckt, habe ich einen Selbstversuch gestartet. Ich habe bei meinem letzten Projekt mal die Zeit gestoppt und aufgeschrieben, was ich mache und wie viel Zeit ich dafür brauche. Am Ende war ich selbst sehr erstaunt. Teilweise hat man selbst keine Ahnung, was eigentlich alles dazugehört, wofür man Zeit aufwendet. Dabei habe ich manches nicht aufgeführt, weil es in diesem konkreten Fall nicht dazugehört. Es handelt sich bei diesem Projekt nämlich nicht um eine Auftragsarbeit, sondern um ein "just for fun"-Projekt. Was noch dazukommt, wenn man das ganze für jemand anderen macht, werde ich dann hintendran noch auflisten.

Die ARBEITSZEIT für das Projekt "Einhornpegasus" betrug insgesamt 41 Stunden. Schon recht viel, wenn man überlegt, dass es ja "nur" ein Kuscheltier ist.
Die Anzahl der Stunden setzt sich aus den folgenden Einzelschritten zusammen:
  1. Anleitung suchen und beschaffen - Hierfür habe ich 30 Minuten veranschlagt. Natürlich verbringt man deutlich mehr Zeit damit, das Netz nach geeigneten Anleitungen zu durchforsten. Aber dadurch baut sich auch ein gewisser Grundstock auf, aus dem man dann schöpfen kann. Wenn man eine Anleitung kauft, kommt natürlich für den Bestell- und Bezahlprozess noch etwas Zeit obendrauf. Die Zeit, die man dann auf den Versand wartet, hab ich mal weggelassen.
  2.  Material auswählen und beschaffen - Meistens wird in Anleitungen Garn in entsprechenden Farben angegeben, ich arbeite jedoch am liebsten mit bestimmter Wolle und eigenen Farbkombinationen. Im Normalfall habe ich Garn in verschiedenen Farben und Stärken vorrätig, sodass ich mich "nur" entscheiden muss. Wenn man dann aber auch noch in die Stadt fahren und welches kaufen muss, oder online bestellt, braucht das schon gleich nochmal mehr Zeit. Um einen Mittelweg zu finden, habe ich hier mal 2 Stunden berechnet.
  3. Vor- und Nachbereitung - Man braucht immer ein wenig Zeit vor- und hinterher. Sachen zurechtlegen, Garn aufwickeln, Reste aufräumen und so weiter. Da man ja nicht in einem Rutsch durchhäkelt, sondern das alles jeden Tag machen muss (sofern man nicht den Luxus eines Handarbeitszimmers hat, wo man alles rumliegen lassen kann), ist dafür 1 Stunde in die Berechnung eingeflossen.
  4. Häkeln - Die eigentliche "Hauptarbeit"... mag man meinen. Also die reine Häkelarbeit waren in etwa 20 Stunden. Wobei ich da auch schon etwas abgezogen habe, weil ich manchmal nicht ausschließlich häkele, sondern nebenbei noch eine Serie schaue oder sowas. Dann ist man ja hin und wieder abgelenkt. Das könnte man ja im Ernstfall nicht in Rechnung stellen. Wobei allein in der Stille sitzen und häkeln jetzt auch nicht die Erfüllung schlechthin ist.
  5. Zeit für Fehler - Irgendwas ist immer. Man war unaufmerksam und hat sich verzählt, muss ein ziemlich großes Stück wieder aufribbeln und fängt dann wieder an. Oder aber etwas sieht nicht so aus, wie man es gerne gehabt hätte. Dann macht man es eben einfach nochmal. Ich als Perfektionistin brauche da dann doch die eine oder andere Minute mehr. Hier habe ich 4 Stunden gebraucht.
  6. Zusammennähen - Dieser Punkt wird hier extra aufgeführt, da im Unterschied zu Tüchern oder anderen gehäkelten Sachen, viel Zeit dafür draufgeht. Der Pegasus bestand jetzt aus 26 Einzelteilen. Das ist schon recht ordentlich. Da habe ich dann auch glatt mal 5 Stunden dran gesessen.
  7. Details, Fertigstellung - Hier nochmal eben ein Auge aufgestickt, da noch schnell einen Zierknopf angenäht,... Da kommt auch einiges an Zeitaufwand zusammen. Ich habe 5 Stunden angesetzt.
  8. Präsentation - Fotos machen, bearbeiten, einen Blogbeitrag schreiben, die Homepage updaten, Verbreitung in sozialen Medien. Auch das muss gemacht werden. Wer das alles mit einem gewissen Anspruch machen möchte, investiert hier auch nochmal in etwa 3 Stunden
  9. Verpacken und verschicken - Wenn man sein Werk behält, entfällt dieser Punkt natürlich. Aber wenn man keinen großen Aufwand betreibt, reicht dafür eine halbe Stunde. Natürlich je nachdem, wie weit der Weg zur Post ist.
Hier habe ich das alles auch nochmal graphisch aufgearbeitet. Wie man deutlich sehen kann, nimmt das Häkeln nur knapp die Hälfte der Gesamtzeit in Anspruch...
  

Was dann noch dazukäme, wenn man im Kundenauftrag arbeitet, wäre z.B. ein Kundengespräch, in dem erarbeitet wird, was gemacht werden soll, welche Farben, welches Material, welche Kombinationen. Das kann ziemlich schnell gehen, wenn der Kunde schon sehr detaillierte Vorstellungen hat, kann sich aber auch wie Kaugummi ziehen. Jeder von uns hat diese eine Freundin, die sich nie entscheiden kann und für alles ewig braucht.
Am Ende wird es dann natürlich auch nochmal aufwändiger. Man muss eine Rechnung erstellen, das Paket vielleicht etwas ordentlicher und hübscher verpacken, vielleicht ein paar kleine Goodies dazutun. Da ist es dann mit einer halben Stunde nicht getan.

Kassensturz

Wenn man jetzt mal einen Kassensturz macht, dann habe ich bis jetzt 41 Stunden Arbeitszeit in das Produkt gesteckt. Mit einem Mindestlohn (den ja in Deutschland jeder bekommen sollte) von 8,50€/h stünden jetzt 348,5€ auf der Rechnung. Allein für die ARBEITSZEIT!

Dann fehlt noch das MATERIAL... Die Liste ist ansich gar nicht so lang und das ist alles eigentlich auch gar nicht so teuer. 3 Knäul weißes Garn, 1x petrol und 1x lichtgrün. Dazu ein Rest schwarz für die Augen und das silberne Glitzergarn, das ich beim Horn und den Locken für Schweif und Mähne habe mitlaufen lassen. Ich rechne pro Knäul 100% Baumwolle 2€ (inkl. Versand), die verwendeten Reste gehen auf meine Kappe (man ist ja nicht so).
Die Anleitung kostet momentan im Shop bei DaWanda 3,80€. Die kommt dann ja auch noch dazu. Klar, man kann sie mehrfach verwenden, aber anschaffen muss man sie eben erstmal. Die reinen Materialkosten belaufen sich dann also auf 13,80€.

Somit kommt man für Arbeitszeit und Material inzwischen auf 362,30€. Da kann man eigentlich nur mit den Ohren schlackern. Gut, man ist ja kein Unmensch, also rechnen wir als Arbeitszeit mal nur die reinen Produktionsstunden (Häkeln, Nähen, Fertigstellen). Dann käme ich auf 34 x 8,50€ + 13,80 = 319,80€.

Jetzt würde noch einiges an Kleinkram fehlen, wie Stecknadeln, Wollnadeln, Füllwatte, Label... Das alles noch auszurechnen, ist mir aber jetzt wirklich zu mühselig. Außerdem lassen sich die Liebe und das Herzblut, das man reinsteckt, gar nicht mit einem Geldbetrag aufwiegen und beziffern.

Ich denke mal, dass die Message rüberkommt. Selbstgemacht ist teurer als im Geschäft gekauft. Nicht nur wegen der Liebe, der Materialqualität, den "Arbeitsbedingungen", dem persönlichen Engagement... Kaum jemand spricht darüber, wie viel Arbeit in solchen Dingen steckt. Aber wie soll dann irgendjemand wirklich wertschätzen können? Wenn man will, dass seine Arbeit wertgeschätzt wird, dann muss man auch mal Tacheles reden und den Leuten ganz klar sagen, was alles nötig ist.

Wer nicht bereit ist, einen angemessenen Preis für Handarbeit zu zahlen, der soll es lassen und sich gefälligst nicht aufregen. Wer für seine Arbeit, egal in welchem Bereich, angemessen bezahlt werden möchte, der sollte dies auch anderen zugestehen. Natürlich kann man solche Preise wie ich sie jetzt ausgerechnet habe, nicht verlangen. Das wird auch niemand tun. Diejenigen, die es ehrlich meinen, werden angemessene Preise für ihre Arbeit verlangen.

Ganz liebe Grüße!
Eure Traumtänzerin